Ausstellung

AUSSTELLUNG in der Pauluskirche

Die Formel
Während jede Sekunde weltweit 4 Neugeborene das Licht der Welt erblicken, sterben gleichzeitig 1,76 Menschen. Mit über 8 Milliarden Menschen leben damit so viele Menschen auf der Erde wie nie zuvor. Aber wie viel Menschen haben vor uns auf der Erde gelebt und sind inzwischen verstorben? Kann man diese Zahl überhaupt ermitteln? Selbst wenn bei Ausgrabungen Vorfahren wie der 4,4 Milllionen Jahre alte Ardi und die 3,5 Millionen Jahre alte Lucy gefunden werden und mit Ötzi, die mit über 5.000 Jahren älteste bekannte natürliche menschliche Mumie im Gletscher entdeckt wurde, bleiben Funde menschlicher Überreste Ausnahmen. In der Regel verwest und verschwindet der menschliche Körper je nach Bodenbeschaffenheit in nur 20 bis 40 Jahren. Am langlebigsten bleibt noch das menschliche Skelett.
Daher muss die mathematische Demographie und die Geschichtsschreibung helfen, um etwas über die Zahl unserer Vorfahren und ihre Todesursachen zu erfahren. Der 2010 verstorbene kanadische Demograph Nathan Keyfitz hat dazu eine Formel aufgestellt, die alle wichtigen Parameter, wie die Geburtenrate der Menschen, die Lebenserwartung und die Dauer der fortpflanzungsaktiven Zeit einer Generation einbezieht.


Formel nach Nathan KeyfitzX ist die gesamte Anzahl der Menschen, die zwischen den Zeitpunkten A und B gelebt haben; n die durchschnittliche Lebenserwartung. Außerdem muss man die Weltbevölkerung P zu den Zeitpunkten A und B kennen. Sie hängt von der Geburtenrate und der Sterblichkeit ab.



Über 100 Milliarden
Mit Hilfe der Keyfitz-Formel kommt die Demographie so auf eine Zahl von über 100 Milliarden verstorbenen Vorfahren. Die meisten Menschen sind eines „natürlichen“ Todes gestorben, 400 bis 650 Millionen Menschen sind durch die 30 größten Kriege der Menschheit ums Leben gekommen. Genaue Zahlen sind schwer zu ermitteln. Beim Zweiten Weltkrieg allein liegt die Schwankungsbreite bei 40 bis 85 Millionen Toten. Bei den vorstehend genannten Opferzahlen sind nicht die Menschen berücksichtigt, die bei frühen, einfachen, landwirtschaftlichen Gesellschaften ums Leben kamen. Untersuchungen von Anthropologen und Archäologen gehen davon aus, dass in Urgesellschaften 15% aller Menschen eines gewaltsamen Todes gestorben sind, bei den Männern waren es sogar 25%.

Die Intervention
Für 5 Wochen, vom 10. September bis zum 15. Oktober wird jetzt die Bochumer Pauluskirche zur Heimat von 100 Milliarden Toten der Weltgeschichte und 8 Milliarden Lebenden der Gegenwart. 216.000 Icons an 10 Wandtafeln und auf 120 m² Fußboden empfangen die Kirchgänger und Kirchgängerinnen. Jedes Icon steht dabei für 500.000 Menschen, unterschiedliche Form- und Farbwerte geben Auskunft über natürliche und gewaltsame Todesursachen. Neben Icons spielen Sand und Erde eine Rolle. Ein Glaswürfel beherbergt 100 Milliarden Sandkörner, ein aufgeschütteter Erdhügel im Kirchenschiff gibt archäologische Fundstücke von Kriegsschauplätzen preis. Und ein an die Kirchendecke projiziertes Zählwerk zeigt fortlaufend die steigenden Zahlen der Toten und Lebenden an.

Die Intervention in der Pauluskirche:
– 10 Wand-Tafeln in der Größe 2,04 m hoch und 1,03 m breit bedruckt mit Icons
– 120 m² PVC-Bodenbelag, bedruckt mit Icons
– 10 m³ aufgehäuftes Erdreich mit Fundstücken von Kriegsschauplätzen
– 1 Glaswürfel auf Sockel mit 100 Milliarden Sandkörnern
– Lichtprojektion an die Kirchendecke mit fortlaufendem Zählwerk
– Begleitendes Programm mit 4 Abend-Veranstaltungen

Gottesdienste
Während der Dauer der künstlerischen Intervention im Kirchenraum finden alle kirchlichen Termine wie gewohnt statt.

Öffnungszeiten
Die künstlerische Intervention/Ausstellung „Polyptychon der Lebenden und der Toten“ ist vom 10.9. bis 15.10.2023 täglich von 10 bis 18 Uhr zu sehen. Der Eintritt ist frei. Die Veranstaltungen im Rahmenprogramm (siehe Termine) sind kostenpflichtig. Tickets gibt es im Vorverkauf und an der Abendkasse.